Seit anderthalb Dekaden verblüffen Blood Red Shoes unsere Hörgewohnheiten. Als man sich nach den ersten Alben daran gewöhnt hatte, dass da ein zwei Menschen aus England Punk und Pop unter einen Hut gebracht haben, waren Sängerin und Gitarristin Laura-Mary Carter und Sänger und Schlagzeuger Steven Ansell bereits zwei Schritte voraus. Purer und roher Rock’n’Roll mit einer verzerrten Gitarre musste es sein oder ein Ausflug in elektronische Gefilde, Soundskulpturen, die Carters plötzlich zuckersüße Stimme unterlegten, bevor Ansells wuchtige Drums alles wieder zerstörten. Eine dreijährige Trennung tat das übrige, damit das Duo aus Brighton sich neu ausrichtete, ohne ihre Signature Sounds zu vernachlässigen. Und wer sich die drei durchaus unterschiedlichen Veröffentlichungen der letzten sieben Monate anhört, spürt wieviel Macht und Kreativität in diesem Projekt steckt. Die EP „Ø“ vom Juni befördert ein Schritt zurück in alte Tage, mit der charakteristischen Bratzgitarre und Stücken über den Sensenmann, psychopathische Mörder, Furcht vor Nähe und die langweiligen Schweinebacken, die sich 24/7 im Internet hasserfüllt beklagen, ohne einmal ihren dicken Hintern aus dem Sessel zu wuchten. Dann folgte im Dezember Laura-Mary Carter Solo-EP „Town Called Nothing“. Darauf beweist die beste Alternative-Gitarristin der Welt (MusicRadar-Publikumspoll), dass die Grundlage ihrer Musik solides Songwriting ist. Zwischen folkig und träumerisch, mit Dream Pop und Streichern versetzt, überrascht sie uns mit sechs Tracks, die es in dieser Form wohl nicht ins Band-Repertoire geschafft hätten, die aber die musikalische Vielfalt der beiden und ihre Arbeitsweise repräsentieren. Schließlich erschien diesen Monat das mittlerweile sechste Album von Blood Red Shoes. „Ghosts on Tape“ hält sich mit 38 Minuten an das gute alte Vinyl-Format. Aber das reicht völlig aus. Der Titel erklärt sich aus einem alten Mythos: Wenn man die Radiowellen um uns oder das Rauschen der Radios (vor dem digitalen Zeitalter natürlich) auf Tonband aufnimmt, kann man, wenn man nur genau hinhört, die Stimmen von Geistern entdecken, die dort gefangen sind und mit uns kommunizieren wollen. Drei Skits widmen sich diesem Phänomen, während die zehn Tracks sich so elektronisch wie bisher noch nirgends mit dem knalligen Rock der Riffs und Drums verbinden. Das ist cool und hat so viel Wucht wie die Stimmung düster ist. Blood Red Shoes haben erneut besondere Musik geschaffen, die mit ihrer Energie für den Juli auch wieder die gewohnt großartigen Live-Erlebnisse in manch besonders intimen Rahmen verspricht. „Hi everyone, we’re happy to say we have managed to put together a new tour this summer to replace the one we sadly had to cancel. We’re very confident the universe will allow us to do this one so we can play GHOSTS ON TAPE live and loud the way it was intended. Tickets are onsale now!“