Joep Beving, Himmelsstürmer in der Welt des Streamings zeitgenössischer Klassik, kehrt mit Hermetism solo ans Klavier zurück. Das vierte Album des niederländischen Komponisten und Pianisten für Deutsche Grammophon erscheint am 8. April 2022. Antike Philosophie inspirierte Beving in seiner Aufnahme: »Ich hoffe, dass die Musik tröstet und Gemeinschaft stiftet«, sagt er, denn obwohl Beving aus einem Gefühl der Melancholie schöpft, möchte er Hoffnung wecken mit den zwölf Stücken, die er hier auf seinem geliebten Schimmel-Klavier spielt. Bereits mit den überaus erfolgreichen Alben Solipsism, Prehension und Henosis suchte Beving in seiner Musik nach Antworten zu komplexen philosophischen Fragen. Wie weiter?, fragte er sich nach der Trilogie und widmete sich zunächst dem Komponieren für einen niederländischen Film und ein Theaterstück. Erst nach und nach nahm die Idee für sein neuestes Projekt Gestalt an. »Ich setzte mich allein an mein Klavier, um mich zu Hause zu fühlen und mit mir und meiner Umgebung in Einklang zu sein«, sagt er. »Ich wollte tun, was sich richtig anfühlte, auf die Anfänge blicken, Klavier solo spielen, doch die Stücke sollten zugleich auf dem basieren, was ich während der Entstehung der Trilogie gelernt hatte.« Und er vertiefte sich in Hermetismus, eine spirituelle Lehre, die sich auf antike Schriften beruft und einst einem griechischen Verfasser namens Hermes Trismegistos zugeschrieben wurde. In ihrem Mittelpunkt stehen sieben Naturgesetze, die über Jahrhunderte weitergegeben worden sein sollen und später im Kybalion zusammengefasst wurden, einem Text, der in jüngerer Zeit die Vorstellungen des New Age beeinflusst hat. Es sind Grundsätze für ein kontinuierliches Gleichgewicht im Leben – beispielsweise das Prinzip von Ursache und Wirkung oder das des Rhythmus. »Die Lehren rund um diese Prinzipien erscheinen mir so wahrhaftig, ich hoffe, dass sie andere inspirieren werden«, sagt Beving. In Hermetism spiegeln sie sich. »Last Dance« etwa greift das Prinzip des Rhythmus auf: Was sich hebt, wird fallen. »Die Musik hat eine spiralförmige, kreisende Natur. Es scheint, als falle etwas und werde dann aufgefangen, das könnte ewig so weitergehen. Dieses Bild passt perfekt ins Konzept des Hermetismus«, sagt Beving. »Mich zog diese Musik immer wieder an, fast wie ein Mantra.« Oder »Dervish«: »Mich faszinieren Leben und Werk von George Gurdjieff. Mein Denken und auch meine Musik sind davon zu einem gewissen Grad beeinflusst, glaube ich. Insbesondere bei diesem Stück hat sich das deutlicher gezeigt.« Doch beim Schreiben von Hermetism hatte Beving, anders als sonst, auch einen bestimmten Ort vor Augen. »In mir gab es eine romantische Vorstellung von einer vergangenen Zeit, in der jemand in Paris sein Leben der Suche nach Schönheit widmet«, sagt er. »Man geht durch die Pariser Straßen, und durch ein offenes Fenster hört man jemanden Klavier spielen. Das hatte ich oft im Sinn, aber dann verschattete sich das Bild. In den letzten Jahren sind in Paris schreckliche Dinge passiert. Für mich ist Paris wie eine Metapher für die westliche Zivilisation.« Anspielungen auf die französische Hauptstadt durchziehen deshalb das Album, vom Eröffnungsstück »La fée verte« bis hin zu »Paris s’enflamme«, zu Deutsch: Paris brennt, das Beving nach einem Lied von Ladyhawke benannte. Gleichwohl begegnet Beving der Welt zunächst mit einem kontemplativen Stück, als erste Single veröffentlicht er »Nocturnal«. Nach dem viralen Erfolg seines Debüts im Jahr 2015 erscheint Beving heute längst als Nummer eins auf Streamingplattformen. Über eine halbe Milliarde Mal wurden seine Stücke bislang gestreamt und weltweit sind auch seine Konzerte ausverkauft. Mit Hermetism versucht er den Hörer auf einer tiefen Ebene zu erreichen. »In all dem Wahnsinn der letzten Zeit war das Album das, wohin ich zurückgekehrt bin«, sagt er. »So ist Hermetism auch meine eigene Medizin gegen die Pandemie.«