No pressure – aber das dritte Album einer Band, das ist der Gradmesser. Wie viel Substanz existiert, kann man sich weiterentwickeln und treu bleiben gleichzeitig? Milky Chance haben sich nun auf „Mind The Moon“ mit ihrem einzigartigen Global Pop dieser Herausforderung gestellt… Musik aus Deutschland, die auch im Ausland wahrgenommen, ja, gefeiert wird? Träumt weiter, liebe Krauts! Allerdings… mit dieser Band hier begegnet uns tatsächlich eine der ganz wenigen Ausnahmen: Ein musikalisches Phänomen aus Deutschland betourt den kompletten Erdball, spielt auf allen Kontinenten Headliner-Shows, wird überall begeistert empfangen – von Australien bis Alaska, von Tasmanien bis Coachella. Philipp Dausch und Clemens Rehbein treten bei US-Late-Night-Shows wie Kimmel, Fallon oder O’Brien auf, hunderte Live-Konzerte weltweit stehen zu Buche, genauso wie Gold- und Platin-Auszeichnungen in den unterschiedlichsten Ländern von Hundertmillionen Klicks und Streams nicht zu reden. Na dann… Give a warm hand to Milky Chance! Philipp und Clemens begegneten sich noch zu Schulzeiten in der verwunschenen nordhessischen Power-Provinz, in Kassel. Die Chemie stimmt und ihr Sound lässt einfach das Mentos in die Colaflasche fallen. Der Rest ist ein Stück deutsche Popgeschichte. Aus der viralen Sensation der Anfangstage schälte sich ein etablierter Act, der nun das dritte Album produziert hat. Doch trotz des immensen Fahrtwinds lassen Philipp und Clemens es nicht zu, in ihrer Story zu irrlichternden Flugmeilen-Zombies zu werden. Hedonistische Untote, die sich von Party zu Party beamen und regelmäßig im Licht der echten Welt zu Staub zerfallen. Im Gegenteil sie sind in dieser Zeit nicht nur als Musiker und Songwriter gereift – sondern auch als Menschen. Nach den erfolgreichen Alben „Sadnecessary“ und „Blossom“ jetzt also die dritte Platte des gefragten Pop-Exports. „Mind The Moon“, so der Titel, beinhaltet dabei nicht weniger als die Essenz Milky-Chance‘schen Songwritings. War die Anfangsphase noch geprägt von einem smoothen wie hochästhetischen Minimalismus, ging das zweite Album bewusst in die Breite, Panorama-Pop mit viel Platz für die Produktion. Der Anspruch für die entscheidende Nummer drei liegt auf der Hand: Die konträren Pole der ersten beiden Veröffentlichungen zusammenzubringen. Hermetisch und episch gleichzeitig – oder einfach „best of both worlds“, wie es die Band selbst beschreibt. „Mind The Moon“ hat dieses Kunststück tatsächlich fertig gebracht. Mit diesem Album sind Philipp und Clemens in der viralen wie globalen Milky Chance Pop-Fairy-Tale zu echten Songwritern herangereift. Ihre neuen Stücke machen es dem Hörer dabei leicht, Melodien bleiben hängen, die Gemütslage entspannt sich – doch hinter dem zugänglichen Erstkontakt wird man immer weiter reingezogen. Wie viel Tiefe können fluffige Popsongs besitzen? Diese Veröffentlichung lotet es aus. Produziert haben die beiden wie schon beim Vorgänger „Blossom“ mit Tobias Kuhn, gemischt hat Rob Kinelski, der das für unter anderem auch Billie Eilish tut. „Mind The Moon“ ist eine Platte, der man all die Wanderjahre anhört. Off Beat, analoge Synthies, HipHop, Sampling … diese Songs sind all dem formatierten Gedudel null verpflichtet. Milky Chance 2019, das ist schlicht einfach: Global Pop. Was das sein soll? Auf jeden Fall das Gegenteil von eindeutig, man muss sich einfach trauen, auch Popmusik als freies, als offenes System zu verstehen. Wem das zu theoretisch anmutet: Einfach „The Game“ hören, die Single ist der perfekte Schlüssel für diesen Sound – dem man dort als einem Hybrid aus Reggae, Chillout-Pop und Rock begegnet. Alles passt so ineinander, als wäre es nie anders gewesen. Besonders anschaulich wird der Horizont von Band und Album auch bei in den Gästen. Mit dem Briten Elderbrook haben sie in London den Song „Fallen“ geschrieben – und auf einem getragenen Stück zwischen Pop und Gospel, „Edens House“, hört man den südafrikanischen Chor Ladysmith Black Mambazo. Den verehren Dausch und Rehbein schon seit ihrer Schulzeit. Nicht weniger eine Herzensangelegenheit stellt auch die Zusammenarbeit mit Tash Sultana dar. Tash ist eine australisch-maltesische Singer-Songwriter*in, die gerade für viel Furore in der Musikwelt sorgt. Ihre Stimme auf der ersten Single „Daydreaming“ gibt dem Milkyversum noch mal eine ganz besondere Facette. Nicht zu vergessen auch Témé Tan, ein Belgier mit kongolesischen Wurzeln. Wie Tash Sultana hat auch er auf Tour schon mal mit Milky Chance die Bühnen gekreuzt – und findet sich nun auf einem Song als Gaststimme wieder. Das Stück „Rush“ mit Témé wird ebenfalls als Single erscheinen. Auch die Aufnahmen des Albums unterliegen dem bereits genannten Prinzip: #bestofbothworlds. Denn einerseits haben sich Philipp und Clemens ihr eigenes Studio in Kassel gebaut und eingerichtet, dort können sie in aller Hysterie-Abwesenheit zusammen Sounds ertüfteln und an Songs schreiben. Doch dann tritt wieder die Internationalität dieser Story hier in Kraft. Milky Chance besuchen für weitere Sessions Studios in Australien, Italien wie auch in Norwegen. Letzteres befindet sich ganz nah am Wasser, es sind nur ein paar Meter bis zum Fjord. Das allgegenwärtige Meer verewigt sich nachhaltig in den neuen Aufnahmen. Textlich fließt es in Zeilen wie „Thoughts just keep on drowning in my blue mind“ („Rush“) oder „The sea is on the low tide / trouble on the inside“ auf dem knarzigen „Oh Mama“. Selbst der titelgebende Mond steht hier in Bezug auf die Gezeiten, auf seine Macht, das Wasser zu locken, zu vertreiben. Eine mysteriöse Kraft, die auf alles wirkt, immer präsent, gleichsam fern wie nah. Milky Chance haben in diesem Zwielicht ihre musikalische DNA rausgeshaped – und unter dem Mond ruht die Welt. Text: Linus Volkmann
MILKY CHANCE
Palladium, KölnDo, 30.01.2020Einlass: 18:30 UhrBeginn: 20:00 Uhr31,00 € zzgl. Gebühren> Tickets> Download Press Kit> Video
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